Samstag, 15. September 2007

"Glaube ist ein Leben"

"Das ist natürlich ein tolles Gefühl - aber Glaube ist kein Gefühl! Glaube ist ein Leben! Und das wollen wir leben!"
(Eine Bekannte von mir antwortet beim Papstbesuch auf die fast obligatorische Frage einer Reporterin: "Was ist das für ein Gefühl...?")

Samstag, 8. September 2007

Was der Papst noch sagen wollte...

Bekanntlich fiel gestern beim Empfang des Heiligen Vaters am Platz "Am Hof" das Mikrofon aus, so dass er seine Rede abbrechen musste. Kardinal Schönborn stimmte nach einiger Zeit mit seiner lauten und kräftigen Stimme das "Vater unser" ohne elektronische Verstärkung an, auf das der Apostolische Segen folgte. Eigentlich wollte der Heilige Vater an der Mariensäule "Am Hof" in einem abschließenden Gebet Österreich der Mutter Gottes anvertrauen.
Hier ist also nun der Rest der Rede und eben jenes Gebet dokumentiert:

"[...] Die Mariensäule, die Kaiser Ferdinand III. zum Dank für die Befreiung Wiens aus großer Gefahr auf diesem Platz errichten ließ und vor genau 360 Jahren einweihte, soll für uns auch heute ein Zeichen der Hoffnung sein. Wie viele Menschen haben seither vor dieser Säule innegehalten und betend zu Maria aufgeschaut! Wie viele haben in persönlichen Nöten die Kraft ihrer Fürsprache erfahren! Doch unsere christliche Hoffnung umfaßt noch weit mehr als die Erfüllung unserer kleinen und großen Wünsche. Wir schauen auf zu Maria, weil sie uns zeigt, zu welcher Hoffnung wir berufen sind (vgl. Eph 1,18), weil sie das verkörpert, was der Mensch eigentlich ist!

[An dieser Stelle fiel das Mikrofon aus!]

Wir haben es vorhin in der Lesung gehört: Schon vor der Erschaffung der Welt hat Gott uns in Christus erwählt. Jeden von uns kennt und liebt er von Ewigkeit her! Und wozu hat er uns erwählt? Um in Liebe heilig und untadelig vor ihm zu leben! Und das ist keine unerfüllbare Aufgabe: In Christus hat er uns die Verwirklichung schon geschenkt. Wir sind erlöst! Durch unsere Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus hat Gott uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet. Öffnen wir unser Herz, nehmen wir das kostbare Erbe an! Dann werden wir mit Maria das Lob seiner herrlichen Gnade anstimmen. Und wenn wir weiter unsere alltäglichen Sorgen vor die makellose Mutter Christi hintragen, wird sie uns helfen, unsere kleinen Hoffnungen immer zu öffnen auf die große, die eigentliche Hoffnung hin, die unserem Leben Sinn gibt und uns mit tiefer, unzerstörbarer Freude erfüllen kann.

In diesem Sinne möchte ich nun mit Ihnen aufschauen zur Immaculata, ihrer Fürsprache die Bitten anvertrauen, die Sie vorhin vorgetragen haben, und sie um ihren mütterlichen Schutz für dieses Land und seine Bewohner bitten:

Heilige Maria, makellose Mutter unseres Herrn Jesus Christus, in dir hat Gott uns das Urbild der Kirche und des rechten Menschseins geschenkt. Dir vertraue ich das Land Österreich und seine Bewohner an: Hilf uns allen, deinem Beispiel zu folgen und unser Leben ganz auf Gott auszurichten! Laß uns, indem wir auf Christus schauen, ihm immer ähnlicher, wirklich Kinder Gottes werden! Dann können auch wir, erfüllt mit allem Segen seines Geistes, immer besser seinem Willen entsprechen und so zu Werkzeugen des Friedens werden für Österreich, für Europa und für die Welt. Amen."

Freitag, 7. September 2007

Petrus der Regen und die Medien

Über was sollte "Himmel über Wien" berichten, wenn nicht über den Papstbesuch. Und es mutet fast ironisch an, das dieses Blog "Himmel über Wien" heißt, denn eben jener, der Himmel über Wien, scheint diesen Besuch, zumindest momentan ein wenig ins Wasser fallen zu lassen, denn es regnet unaufhörlich. Dementsprechend musste zugleich die Begrüßung des Heiligen Vaters am Flughafen in einen Hanger verlegt werden. Währendessen standen schon eine größere Anzahl vor allem junger Menschen am Platz "Am Hof" um den Heiligen Vater begrüßen zu können, was dieser dann auch mit einem "Ich habe gehört, dass Sie schon drei Stunden da stehen; ich kann Sie nur bewundere und Vergelts Gott sagen." beachtete.

Da stand er nun, auf dem Balkon der Kirche "Zu den neun Chören der Engel". Ein kleiner Mann, relativ weit entfernt, der winkte, soviel konnte man erkennen. Ein paradoxes Gefühl, wie im vorherigen Beitrag beschrieben, kam auf, nämlich eine seltsame Unberührtheit, ein gewisses Unwohlsein in mitten der den Papst zujubelnde Masse - der Heiliger Vater war nur ein Mensch, einer von uns, wie es so heißt, einer, der nichts wirklich Besonderes ausstrahlt, aber gerade das macht ihn so sympathisch, indem er sich frenetischen Erwartungen wiedersetzt und die Situation auf persönlicher Ebene, für den Moment eigenartig enthistorisiert und mit seiner Ernsthaftigkeit die Möglichkeit zu einem tieferen Zugang bietet (das Bewusstsein über die Größe des Momentes kommt aber später doch zurück) - und zugleich ist dort dieser andere Teil des Gefühls, der aufscheint, wenn man auf die riesigen Videowände blickt. Überlebensgroß, sein Gesicht die Leinwand ausfüllend schaut er liebvoll auf uns hinab - so kennen wir ihn, so verehren wir ihn und so wird auf komische Art und Weise das Bild vom Heiligen Vater auf dem Bildschirm realer, vom Gefühl echter anmutend (was es aber gerade nicht ist), als die kleine Person dort vorn auf den Balkon, weil hier die Größe des Bildes die Größe des Gefühls bestimmt (wahrnehmungspsychologisch und filmwissenschaftlich keine neue Erkenntnis), freilich mit der wissenden Komponente, dass dies alles echt ist, d.h. das was ich sehe sich zugleich vor mir abspielt und ich somit gewissermaßen Teil eines medialen Raumes bin.

Hier treffen wir auf die Macht der Medien, denn der mediale Raum ist zugleich ein historischer bzw. simuliert d.h. konstruiert einen solchen historischen Raum, den wir zunehmend als den echten Raum der Geschichte akzeptiert haben, obwohl er es natürlich keineswegs ist. Und auch wenn er es noch nicht ist, wird alles daran gesetzt ihn dazu zu machen - Geschichte wird mit und in Medien gemacht (siehe "11. September 2001"). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der nach Unsterblichkeit (in welcher Form auch immer) strebende Mensch, der, wie im vorherigen Beitrag gesagt, somit in die Geschichte drängt, sich auch in die Medien oder zumindest in die Nähe von herausstechenden Personen der Medienöffentlichkeit, eben des medialen Raumes drängt.

Um so verheerender muss es fast anmuten, wenn dieser mediale Raum zusammenzubrechen droht, wenn ein Papst nicht mehr gehört und gesehen wird und nur noch eine kleine unscheinbare Figur ist. So geschehen heute mittag, als er Heilige Vater gerade ansetzten wollte die gehörte Lesung auszulegen. Plötzlich viel der Strom aus und nichts war mehr zu hören und auch das freundliche Gesicht von der Videowand war verschwunden, die fortan schwarz blieb. Es herrschte verwirrte Unsicherheit allerorten bis schließlich irgendwann der kleine weiß-rote Mann auf dem Balkon die Arme scheinbar zum Apostolischen Segen hob und schließlich verschwand.

Wer in diesem kleinen weiß-roten Mann nicht nur die medial-historische Person sah, sondern durch sie hindurch, schon durch die Bildschirme, als sie noch liefen, wer durch die übermenschlichen Großaufnahmen hindurch Petrus erkennen konnte, einen einfachen Fischer, der eben nichts wirklich Besonderes ausstrahlt, erkannte vielleicht auch sein wahres Anliegen, denn "Zu ihm hat Christus das Wort gesagt, das wie ein Felsen die Kirche durch die Jahrhunderte trägt: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen"

(Mt 16,18). Dieses Wort Jesu gilt. Christus selber baut seine Kirche, auch heute. Sie ist nicht bloßes Menschenwerk, obwohl so viel Menschliches an ihr ist, an Großem und an Schwachem. Deshalb lebt die Kirche, weil Christus sie trägt und stets durch seinen Geist erneuert.

[Im] Heiligen Vater ist diese Zusage Jesu Gegenwart. "Du bist Petrus"! "Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen!" Petrus wie seine Nachfolger waren und sind Menschen mit ihrer Größe und ihren Bedrängnissen. Aber Christus ist treu. Auch heute baut er seine Kirche auf Petrus, den Fels! Jesus hat Petrus den Auftrag gegeben:

"Stärke deine Brüder!" (Lk 22,32). Ja, Heiliger Vater, stärken Sie ihre Brüder und Schwestern! Die Kirche in Österreich ist durch notvolle, schmerzliche Zeiten gegangen. Wir sind in Gefahr, mutlos zu werden, zu resignieren oder gar die Hoffnung zu verlieren. Stärken Sie unseren Glauben, Heiliger Vater! Lenken Sie unseren Blick neu auf Christus! Denn Er ist unsere Zuversicht und unsere Hoffnung!" (Aus den Begrüßungsworten Christoph Kardinal Schönborns)

Die Nacht davor

Ein Sturm ist vorbei. Das dünne Nass lässt die Gehwegplatten unheimlich glitzern, die Lichter einer schlafenden Großstadt spiegeln sich in ihnen – Lichter von Autos, die vorüberziehen, ausgestorbene Schaufenster, die wie Bildschirme in die Nacht strahlen, Straßenlaternen. Winzige, zu Matsch verschmolzenen Sandkörner knirschen unter meinen Schuhsohlen, während ich die Kärntner Straße entlang schlendere, nichts im Sinn, nur meinen Blick streifen lassend. Es ist still, nur ein kurzes Murmeln hie und da, ein kurzes auflachen, dann wieder Stille, nur das nasse Rauschen von Autos in der Ferne. Es ist eine seltsame Spannung in der Stadt, wie Elektrizität schnallst sie um jede Ecke, aufgeladen, und die Straßen, der Graben, der Stephansplatz sind wie Kondensatoren. Sie speichern die Energie, fressen sie in sich hinein – sind gespannt, bis zum zerreißen – bis sie explodieren, in einem ohrenbetäubenden Schreien aufspringen und alles in feurigen Jubel herauslassen, alle Anspannung in gleichmäßigen, rufenden Stößen absondern: „Be-ne-detto!“

Seltsam diese Nacht vor dem Papstbesuch, die nassen Straßen sind bevölkert von kleinen Grüppchen mit Menschen die alle gleich aussehen, mit einem Schild um den Hals, der erkennen lässt dass sie zu einer Konferenz hier sind. Aus jeder Gasse scheint eine kleine Gruppe zu strömen, mit einer Karte in der Hand um Orientierung ringend. Ob sie wissen, was sie in den nächsten Tagen hier erwarten wird?

Riesige Gerüste sind vor den U-Bahneingängen am Stephansplatz aufgebaut, in den Videowände hängen. Lautlos flackert das ORF-Programm in ihnen und wirft angrenzenden Häuser in ein bläulich kaltes, dann wieder in rot warmes Licht. Von hier wird uns der Papst zu lächeln, trotz seiner Verkühlung. Der alte Dom scheint nichts davon zu ahnen, obwohl die Orgel ihn heute erben ließ, als hunderte Ministranten während der Generalprobe für die Sonntagsmesse mit dem Papst andächtig durch das Mittelschiff schritten, immer mit einem verschmitzten Blick auf die Monitore an den Säulen, um zu kontrollieren ob die Fernsehkameras ein Bild von ihnen machen würden. Der kleine steinerne Mann an der linken Ecke des Riesentors starrt dennoch weiter, wie jeher, mit seiner flachen Hand über den Augen, um seinen Blick vor blendenen Licht zu schützen, in die Ferne, irgendwo hin, als würde er auf jemanden warten, um, wenn er kommt, herabsteigen und ihn begrüßen zu können.

An der Kirche am Hof ist ein gewaltiges Sonnedach aufgezogen, auf das noch ein paar Tropfen trommeln. An der Rückwand kann man das Papstwappen erkennen. Prächtiger Blumenschmuck schwankt im Wind, eine Folie, die den Ambo abdeckt flattert geräuschvoll. Absperrgitter auf dem Platz davor unterteilen einsam das Nichts und sehen dabei aus wie ein durchsichtiges Labyrinth aus dem es kein Entkommen gibt. Kein Mensch ist zu sehen. Stille, plötzlich glaube ich aber ein Rufen zu hören – viele Rufe, Jubel. Auch hier flackern die Videowände in die Nacht, dessen Lichter in den Regentropfen funkeln und so zu erkennen geben, dass ganze Schnüre zu Boden prasseln – es regnet wieder. Und auch hier glaube ich plötzlich den Heiligen Vater auf den Bildschirmen zu sehen – es ist nur eine Ahnung, eine Ahnung der nächsten Tage.
Ich drehe den Schlüssel um, betrete meine Wohnung und schließe die Tür. Hier stehe ich. Kein Licht leuchtet. Es ist dunkel.

Ich hatte die Freude, ihn einmal in Regensburg zu sehen. Dieses Sehen, in seiner Nähe sein, ist mit einem äußerst seltsamen Gefühl verbunden. Eines, dass sich nun wiederholt, vielleicht sogar in viel stärkerem Ausmaß, denn, man könnte es als ein Lebenshöhepunkt beschreiben (diese emotionale Feststellung ist auch Teil dieses Gefühls), der Papst, der Heilige Vater kommt nach Wien. Dessen aber nicht genug, darf ich ihm wohl begegnen. Es ist eigentlich unglaublich, unbeschreibbar und ich müsste sogleich jubelnd auf und ab hüpfen, aber irgendwie, auch wenn ich es innerlich auf eine Art doch tue, ist diese Sache auch mit einer Wut verbunden. Komisch, nicht wahr? Und man fragt sich, worauf, wogegen und ich weiß die Antwort selbst nicht recht. Dies Gefühl ist derart paradox, dass es mich gar zeitweise dazu treibt, sich vorzustellen kein Katholik zu sein, kein, fast fanatischer Bewunderer des Hl. Vaters zu sein. Viel lieber wäre ich hin und wieder wie einige meiner Kommilitonen, die sich einen Dreck um diese ganze Sache scheren, sie interessieren sich kein Stück dafür und gehen; statt sich auf den Besuch des Papstes vorzubereiten, sich einem seltsamen Konkurrenzkampf ausgesetzt zu sehen, den man sich selbst schwer enthalten kann, stattdessen gehen sie ruhigen Gewissens ins Kino, lassen sich vermutlich auch morgen und am Sonntag dieses historische Ereignis entgehen. Warum? Ich bin fast neidisch, mit welcher Leichtigkeit sie dies an sich vorüberziehen lassen können.

Möglicherweise bin ich also auf mich wütend, vielleicht aber auch auf sie, wahrscheinlich aber auf die ganze angespannte, hochgezüchtete, hochegoistische Situation, in der sich jeder in den Mittelpunkt, zum Papst, zu rücken sucht, ich leider auch. Wahrscheinlich bin ich doch auf mich wütend, denn wie gerne würde ich der Sache entspannt begegnen. Aber es liegt ja leider nicht nur an mir, sondern auch an der ganzen Event-tisierung des Besuches, was den historischen Druck verstärkt. Dieser historische Druck ist ein ganz persönlicher, den vielleicht nicht nur ich mir mache. Es ist ein Druck, der mich dazu drängt nichts zu verpassen, möglichst nah an der Historie dran zu sein, ja, der drängt selbst Geschichte bzw. Teil dieser Geschichte zu werden. Es ist ein Drang zur Historie und damit zu einer historischen Person, die der Papst zweifelsfrei ist. Und dieser Drang zur Historie, also selbst Geschichte zu werden ist natürlich zutiefst mit einem anderen Drang, nämlich mit dem zur Unsterblichkeit, oder wie man in der Stadt Freuds sagen würde, mit dem Selbsterhaltungstrieb (der in Wahrheit das Gleiche ist) verbunden. Es ist also ein allzumenschlicher Drang, der leider viel zu oft vergessen lässt, dass wir schon zur Unsterblichkeit hin erlöst sind und das jeder andere Weg und Versuch zur „historischen Unsterblichkeit“ letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Und es ist ein Drang, der immer wieder auftaucht, ein Drang sich auch im Alltag, nicht nur bei derart großen Ereignissen, zu profilieren, sich abzuheben, besonders, unvergeßlich, stark verkürzt gesagt, unsterblich zu werden.

Mman sieht hier nun, das solche großen Ereignisse, wie ein Papstbesuch, einen, überraschenderweise trotzt allem, auf sich selbst zurückwerfen. Und das nicht nur irgendwie, sondern auf existenzielle Art und Weise.

Erinnern wir uns unserer zugesicherten Unsterblichkeit in Fülle, der Gewissheit, dass wir nichts verpassen können, da wir doch im Vater alles haben und immer haben werden, dann können wir, kann ich diesem Besuch ohne Angst und völlig entspannt erwarten und erleben. Und möglicherweise ziehe ich mich dann, wie schon in Regensburg, gerade in dem Moment in Stille vor das Allerheiligste zurück, wo der Heilige Vater um die Ecke biegt, Massen ihm zu jubeln und ich ihm eigentlich zum greifen nah sein könnte.